Kirchenbau im Mittelalter – der Blick in die Vergangenheit…. Doch wie haben die damaligen Baumeister ihre Arbeit getan ? Mit Bauwerken die nun schon viele Jahrhunderte überstanden haben ? Heutige Bauwerke erreichen das bei weitem nicht mehr…
Historischer Überblick
Etwa bis 5. Jhr (Untergang des weströmischen Reiches) : Die frühchristlichen Kirchen hatten die antike römische Basilika zum Vorbild und wurden beginnend mit dem Toleranzedikt von Konstantin dem Großen („die christliche Kirche ist anderen Religionen gleichgestellt“) gebaut. Einst in der Antike eine längliche Säulenhalle mit Seitenschiffen zu Versammlungs– und Gerichtsbarkeitszwecken wurde diese Bauform für die ersten christlichen Kirchen übernommen und dabei das Mittelschiff weiter in die Höhe gezogen (Quelle siehe [1a]). Diese Kirchen hatten eine Holzdecke und kein Gewölbe, jedoch gab es Ausnahmen mit Gewölbe wie die (Quelle [1b]) Basilica des Maxentius in Rom (307-313). Am östlichen Ende befindet sich meist eine halbrunde Apsis.
Etwa 5. Jhr bis 900 : Merowingische und karolingische Zeit, baugeschichtlich eine Form der Vorromanik. Dabei werden antike Strukturen als Vorbild genommen und abgeändert.
Bedeutenstes Beispiel ist die Pfalzkapelle Karls des Großen in Aachen, heute ein Teil des Doms von Aachen (Vorbild dazu war die Basilika San Vitale in Ravenna). [++]
Etwa 900-1250 : Romanik. Typisch sind Rundbögen und geradezu festungsartige, meist dunkle Kirchen.
Ab 1140 bis etwa 1550 : Gotik, einteilbar in Früh-, Hoch-, und Spätgotik. 1140 wurde in Frankreich unter Abt Suger die Abteikirche St. Denis im gotischen Stil errichtet. Der revolutionäre Baustil verbreitete sich in Mittel– und Westeuropa, ab 1230 auch in Deutschland (Elisabethkirche in Marburg, Liebfrauenkirche Trier) Eine vor 700 Jahren gebaute Kirche würde also in diesen Zeitabschnitt fallen. Kennzeichnend sind unter anderem die Spitzbogenformen, welche endlich das Problem romanischer Baumeister eleminierten : bei Rundbögen ist mit der zu überspannenden Weite automatisch auch die Bogenhöhe festgelegt; das gotische System bietet da viel mehr Freiheiten. Die gotische Bauweise ist geprägt durch aufstrebendes, durch Höhe und Luftigkeit. Man versuchte, zu allen auftretenden Kräften eine passende Gegenstütze zu finden, also z.B. Säulen eher als Stäbe anzusehen und nicht als massive, mit allem fertig werdende Pfeiler. Etwaige Schubkräfte sollen an Ort und Stelle durch eine passende Gegenkraft ausgeglichen werden.
Etwa 1500-1650 : Renaissance, dabei flossen Bauformen der griechischen und römischen Antike mit ein, man versuchte, optimale harmonische Proptionen zu schaffen.
Kirchentypen
Basilika (griech. „Königsbau“)
Die „Basilika“ basiert auf einem antiken römischen Bautyp, wurde aber auch in der Gotik verwendet. Er besteht in der Regel aus einem hohen Mittelschiff, das durch Säulen von den Seitenschiffen abgetrennt ist. Nicht selten ist das Mittelschiff genau doppelt so breit wie die Seitenschiffe (meist 2 aber auch z.B. 4 Seitenschiffe möglich). Die Erhöhung des Mittelschiffs lässt oberhalb der Seitenschiffe Fenster zu, den Lichtgaden.
Ein Querschiff kann den Grundriss zu einer Kreuzform erweitern. Die Stelle an der sich Lang– und Querschiff treffen, entsteht die Vierung.
Pseudobasilika
Die Pseudobasilika ähnelt der dem Bautyp „Basilika“, verfügt jedoch normalerweise nicht über den Lichtgaden (also die Fensterreihe über den Seitenschiffen) und nähert sich somit dem Typ „Halle“ an. Meistens ist das dadurch bedingt, dass der Höhenunterschied zwischen den Seitenschiffen und dem Hauptschiff verringert wird. Eine Pseudobasilika wird daher auch Staffelhalle genannt.
Halle
Hier sind die Schiffe gleich hoch, so dass ein gewaltiges Raumgefühl eintritt. Die Hallenkirchen können mit Holzdecken oder Gewölben angetroffen werden; sie wurden bevorzugt ab dem 14. Jhr. gebaut [1c].
Die Schiffe des Langhauses können einzeln oder von einem gemeinsamen Satteldach überspannt sein (siehe auch auf der Seite Dachauslegung unten).
Auslegung
Die Kirchen sind meistens mit dem Chor nach Osten ausgerichtet. Dabei wurde der ausgesuchte Platz (meist auf einer Anhöhe gelegen) zuerst geräumt und dann der Grundriss mittels geometrischer Konstruktionen (z.B. Turmgrundriss als regelmässiges Achteck) sowie einfachen Berechnungen (addieren, multiplizieren, subtrahieren, dividieren) ausgelegt. Die Auslegung der Mauern (Breite, Höhe) basierte wohl auf Erfahrungswerten, die weitestgehend mündlich weitergegeben wurden und nicht auf statischen Berechnungen, wie wir sie heute kennen (damit begann man im 18 Jhr.). Diese Erfahrungswerte bestanden z.B. aus Verhältnissen, denen oft die Chorweite zugrunde gelegt wurden (z.B. 1:10 Wandbreite zu Chorweite). Es gibt so gut wie keine schriftlichen Aufzeichnungen aus der Zeit vor dem 15. Jhr. und diese sind z.T. unterschiedliche Abschriften der nicht mehr vorhandenen Originale die sich mit Architekturtheorie und Grundlagen zur Geometrie befassen.
Erhalten sind aus dem deutschen / österreichischen Raum nach [4a]
· Wiener Werkmeisterbuch (15. Jhr, Autor unbekannt)
· Von des Chores Maß und Gerechtigkeit (ca. 1500, Autor unbekannt)
· Unterweisungen (1516, Lorenz Lechler, ein kurpfälzischer Hofarchitekt)
· Das Büchlein von der Fialen Gerechtigkeit (1486, Matthäus Roriczer, Dombaumeister in Regensburg)
· Geometrica Deutsch (1487/1488, Matthäus Roriczer s.o.) [4b]
· Fialenbüchlein (ca. 1485, Hans Schmuttermayer)
Sowie
· Bauhüttenbuch (1225 bis 12356, Villard de Honnecourt, frz. Baumeister oder Steinmetz) [4c]
Quelle für folgenden Abschnitt: [2a] (aufbereitet und wiedergegeben nach meinem eigenen Verständnis, sollten sich Fehler eingeschlichen haben bitte ich um eine Info)
Der folgende Abschnitt soll die Zusammenhänge einiger Gebäudemaße zum Schlüsselmaß wiedergeben. Achtung ! Die Quelle [2a] hat die Gültigkeit einiger „Baumeisterregeln“ an heutigen Kirchen (im süddeutschen Raum) überprüft und dabei teilweise Übereinstimmungen festgestellt; jedoch muß davon ausgegangen werden, dass je nach Zeit, Baumeister, regionalen Geschmäckern etc. die Regeln keine exakte Anwendung finden. Schauen Sie doch selbst mal nach, wenn Sie die Gelegenheit haben, eine alte Kirche zu besuchen !
Chor
Die Weite des Chors wird hier als Schlüsselmaß angenommen. Als Chorform beliebt war ein Achteck (bzw. 5 Seiten davon, die anderen drei Seiten würden in die Kirche hereinzeigen).
Wandstärke des Chors
Die Wandstärke des Chors hängt unmittelbar von seiner Weite ab. In aller Regel betrug die Wandstärke 1/10 der Chorweite (rote Pfeile), je nach Qualität der Baumaterialien wird etwas zugegeben oder verringert (ein „Schuh“ oder ein „Fuß“).
Die Wandstärke des Haupthauses kann sich davon unterscheiden (grüne Pfeile, siehe „Dimensionierung des Langhauses“, hier im Beispiel um Faktor Wurzel 2 dicker). Als optimal wurde angesehen, wenn der Chor etwa zwei– bis dreimal so lang wie er breit ist.
Die Chorhöhe kann (bis zum Bogenansatz, dem „Kämpfer“) einmal bis dreimal so hoch sein wie er breit ist; idealerweise Faktor 2. In diesem Beispiel sind es 20m (2x 10m Chorbreite, dazu kommt noch die Höhe der Gewölbebögen von ca. 5m). Die Breite des Chores gilt auch (mehr oder weniger genau ) als Maß für die Breite des Mittelschiffes.
Das Langhaus
Die Dimensionen des Langhauses sind nicht genau festgelegt, es kommt sehr auf die Größe der Gemeinde und die den Gegebenheiten des Bauplatzes an. Ein gutes Maß für die Langhauslänge kann die doppelte Länge des Chores sein, die Breite (zumindest des Mittelschiffes) beträgt in etwa die des Chores. Die Höhe kann die gleiche sein wie die des Chores oder das ein– bis dreifache der Chorweite (es gilt wieder das Maß bis zum Kämpfer). Die Wandstärke des Langhauses kann der des Chores gleichen (1/10 der Chorbreite) oder etwas robuster mit 1:Wurzel2 in Bezug auf die Chorwanddicke. Der Faktor Wurzel 2 erklärt sich aus der beliebten Methode der Drehung von Quadraten in die Diagnoale, dabei verändert sich jede „Schicht“ um den Faktor Wurzel 2. Dieses System findet sich vorrangig bei der Skalierung von kleineren Gegenständen wie Fialenschmuck außen an der Kirche.
Der Abstand der Pfeiler wird vorgeschlagen als 1/2 oder 2/3 der Chorbreite (gemessen von Pfeilermitte zu Pfeilermitte); es gibt auch eine Regel die besagt, dass der Abstand die dreifache Langhausmauerstärke (welche zur Chorweite 1:10 oder Wurzel2 : 10 steht) betragen soll, in diesem Fall aber nicht von Pfeilermittelpunkt zu Pfeilermittelpunkt aus sondern die „lichte Weite“ dazwischen; die Jochlänge beträgt also das vierfache der Haupthausmauerstärke. Die Pfeiler selbst können Achtecke sein, von denen dann jeweils drei Seiten aus der direkten Flucht zum Chor herausstehen sollen. Die Pfeilerstärke zur Chormauerstärke lässt sich nach [2a] interpretieren als 1+Wurzel2 (2,414) : 1.
Strebwerk
Außerhalb der Kirche finden sich Strebepfeiler, die den Gewölbeschub aufnehmen sollen : das Gewölbe „drückt“ nicht nur nach unten, sondern auch auf die Seite — bei hohen Mauern könnten diese einstürzen, wenn man nicht von außen „dagegendrückt“ und das ist die Aufgabe der Strebepfeiler. Die Strebepfeiler stabilisieren auch gegen Windlasten die mit steigender Höhe stärker zunehmen. Die Strebepfeiler können eine einfache Mauerabstützung sein, etwa so breit wie die Chormauer dick ist mit einer Ausladung (= Richtung zeigt von der Kirche) 2:1 oder Wurzel2 :1 zur Breite. Bei bei größeren, höheren Gebäuden kann die Abstützung zu einem ganzen Strebewerk mit Bögen, Türmchen und Fialen ausgeweitet werden. Die Quelle [4c] berichtet von einem Disput im Jahre 1400 zwischen Erbauern des Mailänder Domes und einem aus dem Ausland hinzugezogenen Fachmann, welcher als Maß für die Strebepfeilerdimensionierung angibt, die Strebepfeiler müssten dreimal so stark sein wie die inneren Pfeiler. Der Artikel gibt gut die einfachen Vorstellungen von Statik in der damaligen Zeit wieder; so sollen die damaligen Bauingenieure gesagt haben, dass alles „was handwerklich gut ausgeführt und lotrecht gebaut werde, könne niemals einstürzen“, egal wie hoch. Das Maß für den aufzunehmenden Gewölbeschub (also Kräfte, die das Gewölbe auf die Mauern ausübt und annähernd horizontal wirken) muß recht unterschiedlich eingeschätzt worden sein, ausrechnen konnte man es nicht.
Die Fenster
Für die Weite der Fenster ist ebenfalls eine Regel bekannt: 3/5 des Abstandes zwischen zwei Strebepfeilern ist dem Fenster vorbehalten.
Das Gewölbe
Für das Gewölbe ist die Dimensionierung des Kreuzbogens (in unserem Beispiel halbkreisförmig) zu nennen, dafür wird in einer Quelle (Lechler) für die Überspannung großer Weiten die Mauerstärke in sechs Teile geteilt, die Breite des Kreuzbogens entspricht einem Sechstel, die Ausladung (Tiefe) beträgt zwei Sechstel.
Das Dach
Das Dach wird in der Regel als gleichseitiges Dreieck angenommen, die zu überspannende Breite definiert das Maß der beiden Dreieckseiten für das Dach.
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Thomas Pröttel Sulzweg 7 72631 Aichtal